Der Verkehrsverbund Region Trier (VRT) hat 2024 die letzten zwei von insgesamt 15 Busnetzen gestartet und damit in seinem gesamten Gebiet das ÖPNV-Angebot praktisch verdoppelt. Wo zuvor meist nur Schülerverkehr bestand, gibt es jetzt auch in kleinen Orten ein regelmäßig getaktetes Fahrtenangebot zu den nächsten Zentren. Wie dies möglich wurde und was die Zukunft bringt, erzählt VRT-Geschäftsführerin Barbara Schwarz im Interview.

Frage: Frau Schwarz, 2018 haben Sie rund um Daun, im östlichen Teil des Landkreises Vulkaneifel, das erste der sogenannten „Busnetze“ gestartet. Was waren damals die Reaktionen der Menschen vor Ort, als sie bekannt machten, praktisch aus dem Nichts öffentlichen Personennahverkehr in die ländliche Region bringen zu wollen?

Schwarz: Um ehrlich zu sein, gab es ein großes gemeinschaftliches Engagement in den Kreisen; wir konnten viele Kräfte bündeln, obwohl einige Menschen auch nicht daran geglaubt haben. Es hieß oft, das lohne sich nicht, die Eifler würden nie auf ihr Auto verzichten und das neue System der RufBusse wurde von manch einem als kompliziert wahrgenommen. Sehr viel Zustimmung gab es aber für das noch unbekannte RufBus-Konzept, beispielsweise damals bei der Ortsbürgermeisterversammlung in Kelberg. Außerdem hatten wir sehr engagierte Fachleute im Landkreis, mit denen wir – wie später eigentlich immer – sehr eng zusammenarbeiten konnten.

Frage: Sie erwähnten die RufBusse: Warum sind diese so ein essentieller Teil des ÖPNV und wäre es nicht leichter für die Menschen, wenn einfach überall echte Linienbusse fahren würden, die nicht spätestens eine Stunde vor Abfahrt gebucht werden müssen?

Schwarz: Was wir mit den RufBussen erreichen konnten, ist für unsere Region revolutionär. Dank ihnen können wir auch in kleinsten Orten eine öffentliche Mobilität und Daseinsvorsorge schaffen, deren Aufrechterhaltung mit Linienbussen nicht machbar gewesen wäre, weil zu wenige Menschen diese nutzen würden. RufBusse holen Fahrgäste nur bei Bedarf zu festen Abfahrtszeiten an Bushaltestellen ab und bringen sie zu größeren Bus- oder Zuglinien, passend zu den Abfahrten dort. So kommen Fahrgäste aus dem 300-Einwohner-Dorf Duppach jetzt beispielsweise sieben Mal täglich, auch sonntags, in einem regelmäßigen Takt mit dem Bus nach Hillesheim und zurück. Und können 14-mal täglich nach Oberbettingen oder Gerolstein fahren. Und obwohl als RufBus quasi ein Taxi fährt, gelten die Preise von Bustickets. Gebucht wird einfach über die VRT-App oder per Telefon.

Frage: Wenn ich mich als Neueinsteiger in den ÖPNV nun informieren möchte und auf Ihrer Internetseite auf der großen Liniennetzkarte sehe, dass ich an einer RufBuslinie wohne, oft aber einen Linienbus an der Haltestelle vor meinem Haus vorbeifahren sehe: Woher weiß ich, wann ein Bus fährt und wann der RufBus, den ich ja vorab buchen müsste?

Schwarz: Das mag den einen oder die andere kurz verwirren, folgt aber einer einfachen Logik: Wenn das Interesse an einer Fahrt zu einer bestimmten Uhrzeit hoch genug ist, beispielsweise wenn viele Schüler mitfahren, fährt statt eines RufBusses ein regulärer Bus auf der Linie. Die Liniennummer auf der Strecke bleibt die gleiche. Herausfinden, ob es sich um eine Bus- oder RufBus-Fahrt handelt, können Fahrgäste am einfachsten in unserer digitalen Fahrplanauskunft unter www.vrt-info.de/fahrplanauskunft oder in der VRT-App. Aber es ist natürlich auch im Fahrplan an der Haltestelle markiert, ob die benötigte Fahrt vorab gebucht werden muss oder ob der Bus immer kommt. Bei der digitalen Fahrplanauskunft gibt man einfach seine Start- und Zieladresse sowie Tag und Uhrzeit an, zu der man fahren möchte und bekommt dann die gewünschten Verbindungsergebnisse ausgespielt. Sie bietet den Vorteil, dass hier direkt online mit ein paar Klicks auch gebucht werden kann, wenn es sich um eine RufBus-Fahrt handelt.

Frage: Lassen Sie uns nochmal kurz auf den Rückblick zurückkommen. Denn u.a. dieses RufBus-System haben Sie in anderen Busnetzen ja auch in weiteren Regionen des VRT-Gebiets umgesetzt. Wo und wie ging es denn nach 2018 weiter? Sie haben das Fahrtenangebot ja nicht nur im Landkreis Vulkaneifel, sondern auch in den anderen Kreisen des VRT-Gebiets, also Trier-Saarburg, im Eifelkreis Bitburg-Prüm und in Bernkastel-Wittlich ausgeweitet.

Schwarz: In den nächsten Schritten haben wir entlang der Mosel und im nördlichen Landkreis Trier-Saarburg sowie in der Südeifel Busnetze gestartet. Und dann Ende 2020, Anfang 2021 in der Schneifel und im Saargau, praktisch direkt zum Start der Corona-Pandemie. Das war ein harter Rückschlag. Obwohl in unseren neuwertigen Bussen die Luft teilweise innerhalb weniger Minuten mit Frischluft komplett ausgetauscht ist, hatten Menschen Angst, sich gemeinsam mit anderen Menschen in engen Räumen, also auch unseren Bussen, aufzuhalten. Genau das, was das gemeinsame Unterwegssein unseres öffentlichen Verkehrs ausmacht, sollte vermieden werden. Für unser Image fatal. Und es fielen den Verkehrsunternehmen sowie den finanzierenden Gebietskörperschaften natürlich Einnahmen weg.

Frage: Das klingt herausfordernd. Konnten Sie die weiteren Starts von Busnetzen dann verschieben? Und wann etwa hatten Sie die Fahrgäste von vor Corona wieder zurückgewonnen? Verzeichnen Sie in den Busnetzen allgemein Fahrgastzuwächse? Und was waren weitere Herausforderungen für den ÖPNV in der Region?

Schwarz: Die Verträge für das neue Angebot werden zwischen uns, dem zugehörigen Landkreis, dem SPNV-Nord und dem Busunternehmen für ca. zehn Jahre geschlossen und haben langen zeitlichen Vorlauf. Wir konnten die Starts daher nicht verschieben. Etwa Anfang 2023 hatten wir, als einer der ersten Verbünde in Rheinland-Pfalz, auf vergleichbaren Strecken wieder das Vor-Corona-Niveau an Fahrgästen erreicht. Und seitdem verzeichnen wir stetige Fahrgastzuwächse. Noch genauere Informationen zu Fahrgastzahlen erhalten wir übrigens 2025. Dann sind in etwa die Hälfte aller Busse mit sogenannten automatischen Fahrgastzählsystemen ausgestattet. Eine weitere große Herausforderung waren natürlich die Streiks im privaten Busgewerbe. Darunter haben unsere Fahrgäste, Eltern und schlussendlich das Vertrauen in den ÖPNV sehr gelitten.

Frage: Bei den Streiks ging es ums Geld. Insgesamt wird der ÖPNV vermutlich – nicht nur aber auch – durch höhere Fahrpersonalkosten teurer. Das Fahrten-Angebot in Ihren Busnetzen wird ja nicht mehr nur durch Fahrgeldeinnahmen finanziert, sondern die Kommunen und das Land Rheinland-Pfalz sowie der Bund (Deutschlandticket) subventionieren den ÖPNV stark mit. Warum bieten Sie Fahrten auf Strecken oder zu Uhrzeiten an, die sich über Fahrgeldeinnahmen nicht allein tragen?

Schwarz: Die Planung der Busnetze stützt sich auf mehrere gemeinsam mit allen Partnern festgelegten Rahmenbedingungen. Eine davon ist, dass nicht mehr Busse in den Randzeiten eingesetzt werden, als sowieso zur sogenannten Schülerspitze für die Busnetze zur Verfügung stehen müssen. So können wir auch Strecken und Zeiten mit weniger Nachfrage abdecken und einen Taktverkehr anbieten.

Die Finanzierung des ÖPNV ist seit der Corona-Pandemie immer mehr im Gespräch. Der Ukrainekrieg hat zudem eine Zeitlang die Energie- und Werkstoffpreise explodieren lassen, zudem kommen steigende Personalkosten. Die Einführung des Deutschlandtickets führt auf der anderen Seite zu weniger Einnahmen. Selbst in städtischen Bereichen kann sich unter diesen Rahmenbedingungen der ÖPNV nicht allein von Fahrgeldeinnahmen tragen.

Die Erfüllung der Daseinsvorsorge ist daher eine politische Entscheidung. Es sollte aber weiterhin insbesondere auch im ländlichen Raum ein ausreichendes Fahrtangebot geben, um damit einen Beitrag zur Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse zu schaffen und die bereits erwähnte Daseinsvorsorge an Mobilität zu schaffen. Mit der jeder und jede ihren Alltag gestalten kann, ohne aufs Auto angewiesen zu sein.

Frage: Gehen Sie davon aus, dass es Strecken oder Fahrten gibt, die so wenig genutzt werden, dass Sie sie im kommenden Jahr einstellen müssen? Man liest in den Medien seit Kurzem ja auch von Einsparungen.

Schwarz: Mit den neu installierten Fahrgastzählsystemen erhalten wir ab 2025 zusätzliche wertvolle Nutzerdaten. Damit können wir nachvollziehen, wie hoch die Auslastung in den Bussen ist. Es ist nicht angedacht im großen Stil Linien komplett aus dem Fahrplan zu streichen. Geprüft kann beispielsweise werden, ob es sinnvoll ist, auf ein RufBus-Angebot umzusteigen. Möglich wäre beispielsweise, dass statt eines regelmäßigen Linienverkehrs zu gewissen Randzeiten dann ein RufBus-Angebot eingerichtet wird. Da die Busnetze teilweise erst gestartet sind, erfolgt die Überprüfung nach und nach. Zunächst aber haben wir jetzt erst einmal erfolgreich alle unsere 15 Busnetze gestartet und hoffen, dass die Busse zahlreich genutzt werden.

Frage: Und die letzten zwei Busnetze sind diesen Sommer 2024 im Landkreis Bernkastel-Wittlich gestartet. Waren die Starts am Ende leichter als zu Anfang? Hat sich die Mentalität und die Wahrnehmung für ÖPNV allgemein verändert? Was bleibt weiterhin herausfordernd?

Schwarz: Spätestens seit dem 9-Euro-Ticket und nun dem Deutschlandticket ist die Wahrnehmung für den Öffentlichen Nahverkehr bundesweit enorm gestiegen. Und auch der VRT ist sichtbarer geworden. Wir sind und waren da sehr froh, dass man in unserer Region dank der Busnetze eigentlich nicht mehr sagen kann „bei uns auf dem Land fährt ja gar kein Bus, was soll ich mit dem Deutschlandticket“, da mit unseren Angebotsausweitungen viele Menschen mehr und regelmäßigeren öffentlichen Nahverkehr bekommen haben. Und das meist auch am Wochenende und – an frequentierten Strecken – bis später am Abend.

Aber etwas geruckelt hat es natürlich bei jeder Einführung. Die Umstellungen waren teilweise immens. Da kann ein Busunternehmen noch so viel Erfahrung haben, es gibt vorher einfach keine Generalprobe und manches zeigt sich einfach erst in der Praxis. Allgemein fahren im VRT-Gebiet über 20 Verkehrsunternehmen und die Zusammenarbeit funktioniert hervorragend. Wir sind dafür sehr dankbar. In dem Zusammenhang möchte ich einmal den zahlreichen Busfahrerinnen und Busfahrern meinen herzlichen Dank aussprechen, die täglich bei den widrigsten Wetterbedingungen und anspruchsvollsten Verkehrslagen dafür sorgen, dass unsere Fahrgäste sicher ans Ziel gelangen. Das verdient höchste Anerkennung. Herausfordernd bleibt neben sehr vielen anderen ÖPNV-Themen auch das Thema des mangelnden Fahrpersonals.

Frage: Lassen Sie uns noch kurz beim Deutschlandticket bleiben, welches ab Januar ja 58 Euro monatlich kosten wird. Sie haben bereits erwähnt, dass es dem ÖPNV einen großen Schub und mehr Aufmerksamkeit beschert hat. Wie wird das Ticket im VRT-Gebiet genutzt und wie sehen Sie in die Zukunft dieses Tickets?

Schwarz: Nach aktuellen Zahlen haben wir rund 78.000 Deutschlandticket-Nutzer im VRT-Gebiet. Darüber freuen wir uns. Wir gehen auch nicht davon aus, dass viele Kunden wegen des Preisanstiegs im Januar abspringen. Das Angebot, bundesweit mobil sein zu können, ist zu attraktiv dafür. Wir sind aber selbstverständlich sehr gespannt, was das neue Jahr 2025 für das Deutschlandticket und seine weitere Finanzierung durch Bund und Länder bringen wird und hoffen für unsere Fahrgäste, dass das Ticket bestehen bleiben kann und die politische Bereitschaft des Bundes und der Länder zur Finanzierung dieses ÖPNV-Angebots nicht nachlässt.

Frage: Sie haben 2024 u. a. ein großes Update der VRT-App gestartet, welche sich jetzt ‚VRT mobil‘ nennt. Welche weiteren Neuerungen in der App erwarten die ÖPNV-Fahrgäste im VRT-Gebiet denn im Jahr 2025?

Schwarz: Ja, unsere App „VRT mobil“ ist seit dem Update wesentlich funktionaler, Kunden können jetzt auch mit Paypal bezahlen und vieles mehr. Dank eines gewonnenen Bundesförderprojektes können sich im kommenden Jahr auch viele Fahrgäste über digitalen Fahrgast-Informationsbildschirme an verschiedenen Haltestellen in der Stadt Trier und in den Landkreisen informieren. Es wird noch mehr kommen, aber wir wollen nicht zu viel verraten.

Frage: Dann herzlichen Dank für diese Einblicke in die ÖPNV-Arbeit in unserer Region!

Info: Interessierte finden die Abfahrtszeiten in ihrem eigenen Ort ganz einfach unter www.vrt-info.de/fahrplanauskunft oder in der VRT-App. Alle Informationen zu RufBussen gibt es unter www.vrt-info.de/rufbus

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